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Kein Glück ohne Freiheit, keine Freiheit ohne Glück. Adornos Konzept des Zufallsglücks

Num°12 LUCK
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Adorno sagt über Valéry: „Sein Gesamtwerk ist ein einziger Protest gegen die tödliche Versuchung, es sich zu leicht zu machen, indem man dem ganzen Glück und der ganzen Wahrheit entsagt. Lieber am Unmöglichen zugrunde gehen“. In etwas variierter Form wiederholt er diesen Gedanken in Bezug auf Marcel Proust (GS 11, p. 674 f.). Beide Male handelt es sich um eine kaum verhüllte Aussage über Adornos eigenes Werk, das – unter diesem Aspekt – als Kontinuum einer kritischen Reflexion über das Paradoxon der gleichzeitigen Möglichkeit und Nicht-Wirklichkeit von Glück betrachtet werden kann.

Wer über „das ganze Glück und die ganze Wahrheit“ schreibt, handelt sich leicht den Vorwurf ein, er übe sich in wuchtig klingender, aber folgenlos bleibender Rhetorik irgendwo zwischen Theologie und Feuilleton. Der Rhetorikverdacht scheint sich zu bestätigen, wenn Adorno dekretiert, es sei eine „Lüge, jetzt und hier sei Glück überhaupt schon möglich“ (GS 16, p. 306), oder: es sei „alles Glück am Bestehenden und in ihm Ersatz und falsch“ (GS 7, p. 461). Andererseits kritisiert er die Psychoanalyse dafür, dass sie den Menschen das Glück abgewöhne (vgl. GS 8, p.60), oder schreibt, der Geist führe „stets etwas Aufschiebendes und Vertröstendes mit sich, wo die Menschen in der widervernünftigen Gegenwart einen Anspruch auf Glück haben, ohne den alle Vernunft nur Unvernunft wäre“ (GS 11, p. 358 f.). Liefert er also eine Selbstkritik seines Glückskonzepts gleich mit? Oder lassen sich eine Absenz- und eine Präsenztheorie des Glücks miteinander vereinbaren? Denn nichts Geringeres wird ja bei ihm versucht.

Für einen Dialektiker wie Adorno scheint das kein unlösbares Problem zu sein. Er nutzt die Bedeutungs­vielfalt des deutschen Worts „Glück“, die in anderen Sprachen auf unterschiedliche Bezeichnungen aufgeteilt ist. Im klassischen Griechenland wird zwischen (eu-) tychä und eudaimonía unterschieden, im Rom Senecas zwischen fortuna und felicitas. Das Christentum bringt beatitudo ins Spiel, die Vorstellung von einer vollkommenen Glückseligkeit im Jenseits. Die meisten europäischen Sprachen unterscheiden fortuna und felicità, fortune und bonheur, luck und happiness, usw. Im Deutschen allerdings heißt all dies schlicht: Glück.

Kein Glück ohne Freiheit, keine Freiheit ohne Glück. Adornos Konzept des Zufallsglücks

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Numero 12 LUCK ottobre, 2014 - Autore:  Condividi

 

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