
I.
Drum hab ich heute das Fest, und abendlich in der Stille
Blüht rings der Geist und wäre auch silbergrau mir die Loke,
Doch würd ich rathen, daß wir sorgten ihr Freunde
Für Gastmahl und Gesang, und Kränze genug und Töne
Bei solcher Zeit unsterblichen Jünglingen gleich.
Unter Friedrich Hölderlins Entwürfen zur Friedensfeier aus dem Jahr 1801 finden sich diese Verse, die ein Fest auf eigenartig doppelte Weise ansprechen. Einerseits fehlt diesem Fest gar nichts, auch durch die silbergraue Locke des Alters wird die blühende Gegenwart des Geistes nicht gemindert. Andererseits rät ‚Ich‘ sich und seinen Freunden, Vorkehrungen für das Fest zu treffen, ein Gastmahl mit Gesang und Schmuck zu arrangieren. In der Sorge dafür verhalten sich die Freunde in der Zeit des Festes „unsterblichen Jünglingen gleich“.
Hölderlins hymnische Inszenierung eines Festtages skizziert hier eine, wenn man so sagen will, phänomenologische Konstellation, die vom Fest, der Gegenwart des blühenden Geistes, die Inszenierung der Feier unterscheidet und doch beides verknüpft durch die anwesenden Freunde – Freunde, die in ihrer realen Arbeit zugleich metaphorisch, ‚übertragend‘, von Belang sind. Denn sie sind es, die den Übergang einer regulär und rhythmisch inszenierten Feier in ein geschenktes Fest zwar nicht verbürgen aber doch als möglich und besser: erhoffbar aufscheinen lassen. Es ist, so scheint mir, von Hölderlin nicht nur angedeutet, dass ein Fest mehr und anderes ist als die Summe dessen, was man für eine stilvolle Feier tun und einrichten kann. Angedeutet wird auch, dass es der Geist der Freundschaft ist, der, wenn er denn die Vorkehrungen und Umstände der Feier durchdringt, die Emergenz der spielerisch-ernsten Fülle eines Festes in der Feier möglich macht – eines Festtages, der dann auch die irdischen Bedingungen der Feier transzendiert und zum unsterblichen Gleichnis erhebt.
Was gibt die Konstellation, die Hölderlin in der Friedensfeier andeutet, der philosophischen Reflexion des Festlichen zu denken? Seit der ‚Wiederkehr der Feste‘ schon zu Zeiten der Diagnose bürgerlicher Nostalgie oder medialer ‚Streufeste‘ durch die Gruppe „Poetik und Hermeneutik“ und der ‚Wiederkehr der Freundschaft‘ im Gefolge der Voten von Michel Foucault und Jacques Derrida scheint das nicht aussichtslos. Über jene Konstellation möchte ich dem Jubilar einige kulturwissenschaftliche Gedanken widmen und dabei nicht aus dem Auge verlieren, dass Hölderlins Hymne auch eine religionsphilosophische Aufgabe stellt. Als Theologe möchte ich schließlich, ohne die Komplexität des Gesangs der Epiphanie des Göttlichen verkürzen zu wollen, den „Fürst des Festes“ in Christus ver- und angekündigt sehen. Daher argumentiere ich für die Annahme, dass ein Fest, wenn es den Freunden denn geschenkt wird, ein Vorschein des Reiches Gottes sein kann. Dieses, das nach christlicher Tradition als ein „ewiges Fest“ erhofft wird, ist nämlich ein Reich der Freundschaft.
Das Charisma der Freundschaft, oder: Wodurch eine Feier zum Fest werden kann