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Das Fest

Num°15 FESTIVAL II
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Das Fest ist eine Form des Herausragenden aus der Alltäglichkeit unseres Tuns und Leidens – einer Alltäglichkeit, die sich zumeist auch ohne eigene Besonderheiten unseres Lebens einstellt und durchsetzt. Diese Alltäglichkeit gibt unserem Leben dann „gewöhnlich“ eine Richtung, in der es gedankenfrei in einem schon durch unsere Existenz naheliegenden Sinne „von selbst“ abläuft. Gleichwohl ergibt sich in diesem gewöhnlichen Sinne unseres Lebens immer wieder auch das Ungewöhnliche, das unsere Gedanken und Gefühle einfordert – und sei dies noch so leise aus dem Hintergrund unserer Lebensform. Dieses Ungewöhnliche kann dann auch ein Fest sein: ein Fest, das unser Leben bereichert.

Ungewöhnlich aus der Alltäglichkeit herausragend eignet dem Fest eine Art Unwiderstehlichkeit, mit der es uns in sich hineinzieht: in ein Feiern zumindest von einigen Erscheinungen, Erfassungen und Tätigkeiten, die unserem Lebens seine Form geben. Zum Fest erheben sich überalltägliche Verrichtungen, Gedanken und Hinweise, die sich zu einer eigenen – einer festlichen – Welt zusammenschließen.

Diese festliche Welt hat sich in ihrer (europäischen) Entwicklung zu einem tragenden Element geformt, in dem das Leben seine Form gewinnt. In der lateinischen Tradition verbindet sich die Rede von einem (dies) festus mit dem sprachlich verwandten Wort feriae. Diesen feriae ist es zu eigen, dass alle „profanen, im materiellen Interesse des Menschen liegenden Tätigkeiten“ ausgeschlossen werden.

In ganz allgemeiner Form kann unter Fest – oder auch einer Feier – folgendes verstanden werden: Aus dem üblichen, „profanen“ Zeitverlauf wird eine besondere Zeit ausgegrenzt. Zur Festzeit versammelt sich an einem hierfür vorgesehenen Festort die Festgemeinde. Diese repräsentiert sich im Fest selbst, insofern sie sich zumindest für die Festzeit als gleichberechtigte communitas konstituiert. Einzelne Mitglieder oder die Festgemeinde als ganze performieren symbolische „Akte des Feierns“. Solche Festakte realisieren und verzehren sich demnach in ihrem Vollzug: sie bedienen sich konventionalisierter, oft hochgradig ritualisierter Handlungen – wie Festmahl, Festrede, Festmusik – die ihre jeweils vorgängige Funktion und Bedeutung durchaus behalten können, die aber aus der übergeordneten Sicht einer Analytik des Festes nunmehr autoreferentiellen Charakter tragen, insofern sie sich selbst bezeichnen: Signifikant und Signifikat des Festaktes fallen in eins.

Die an der pragmatischen Linguistik ausgerichtete Bestimmung von Fest oder Feier als performativem „Festakt“ hält eine Erklärung dafür bereit, warum tendenziell alle Feste nach dem Kriterium ihres Gelingens oder Misslingens beurteilt werden können, wohingegen sich ihr eventueller Wahrheitswert grundsätzlich der Verifikation, ihre jeweilige Semantik einer allgemeingültigen Beschreibung entzieht und nur von Fall zu Fall zu klären ist. Das performative Verständnis der „Festakte“ erkennt weiterhin die immer schon konstatierte Nähe des Festes zu Ritus, Kultus und Religion, ohne jedoch die Zugehörigkeit von Fest oder Feier zum weiten Bereich des Sakralen zu einer notwendigen Bedingung zu machen. Die kategoriale Offenheit gegenüber profanen Manifestationen von Festlichkeit ist insbesondere für eine Bestandsaufnahme der modernen Formen von Fest oder Feier hilfreich, die sich abseits oder bewusst gegen eine überkommene religiöse Festkultur etabliert haben (z.B. höfische Feste, Revolutionsfeste sowie Feste der Republik in Frankreich; Feste der Pop-Kultur wie das Woodstock Festival im August 1969). Profane Feste können wohl im Einzelfall, nicht aber schlechthin als Ergebnisse eines Prozesses der Säkularisierung gedeutet werden. Eher ist damit zu rechnen, dass profane und sakrale Feste gleichermaßen von deutlich ausgeprägten rituellen Gesten Gebrauch machen können, dass diese Ritualität aber auch stark reduziert sein kann. Genau aus diesem Grund ist es möglich, wichtige Feste vieler Kulturen als die bekannten „rites de passage“ zu beschreiben, ohne dass sich freilich jedes einzelne Fest als ein solcher Übergangsritus zu erweisen braucht. Vielmehr bietet das Fest einen willkommenen Rahmen, innerhalb dessen der Übergangsritus stattfinden kann; so braucht jeder Übergangsritus das Fest, nicht aber die Feier den „rite de passage“.

Vor dem Hintergrund seiner kultischen Verankerung in der traditionalen Gesellschaft wird das Fest von Walter Benjamin als zyklisch wiederkehrender Anlass erfahrungsstiftenden „Eingedenkens“ veranschlagt, bei dem die individuellen an die kollektiven Inhalte des Gedächtnisses vermittelt werden: „Die Kulte mit ihrem Zeremonial, ihren Festen […] führten die Verschmelzung zwischen diesen beiden Materien des Gedächtnisses immer von neuem durch“. Dagegen führe der Prozess der Rationalisierung und der ,Verlust der Aura‘ in der modernen Warengesellschaft laut Benjamin notwendigerweise zu einem Verfall des Kultus und der Feste.

Das Fest

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Numero 15 FESTIVAL II ottobre, 2015 - Autore:  Condividi

 

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